Vom englischen „Elf“ und dem deutschen „Elb“

Wer sich intensiv mit Naturwesen beschäftigt, dem fällt irgendwann auf, dass die Beschreibung der Elfen in der (übersetzten) angelsächsischen Literatur so gar nicht zu den Wesen passt, die wir in Deutschland „Elfen“ nennen. Auch die Erzählungen über die „Elfen“ Islands passen nicht zu den kleinen geflügelten Wesen, die uns landauf landab auf Postkarten und Bildchen begegnen. Gibt es im angelsächsischen Raum oder auf Island andere Elfen als in Deutschland oder muss man die Erklärung für die Unterschiede woanders suchen?

Im Englischen gibt es das Wort „elf“. Es wird heute allgemein mit „Elfe“ übersetzt. Hier liegt der Fehler. Das englische „elf“ bedeutet ursprünglich „Elb“.

In der germanischen Mythologie sind Elben vielfach erwähnt. Dort kennt man die Lichtelben und die Schwarzelben. Beide stehen in der Hierarchie zwischen Göttern und Menschen. Lichtelben sind Wesen, die auf und über der Erdoberfläche ihr Werk verrichten, Schwarzelben sind dagegen Zwerge, Gnome und alle Naturwesen, die in der Erde arbeiten und heimisch sind. „Schwarz“ sagt also nichts über den Charakter der Wesen aus. Zu den Licht- und Schwarzelben kamen später noch als Mischform die Dunkelelben hinzu, die man als gefallene Elben bezeichnen kann.

In der deutschen Sprache tauchte der Begriff „Elf“ oder „Elfe“ zum ersten Mal im 18. Jahrhundert auf, kreiert wurde er von dem Schweizer Philologen Johann Jakob Bodmer (1698-1783).

Bei einer Übersetzung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ machte er den Elbenkönig (Elf King) Oberon zu einem Elfenkönig. Bodmers Freund, der Dichter Christoph Martin Wieland (1733-1813), griff das neu kreierte Wort „Elf“ in seiner Dichtung auf und so zog es in den deutschen Sprachgebrauch ein. Verdrängt wurde dadurch das Wort „Elb“. Diese Verdrängung war so gründlich, dass der Elb nicht einmal mehr im Duden erwähnt wird.

Jakob Grimm brach in seinem „Deutschen Wörterbuch“ von 1862 noch eine Lanze für die Elben:

Elb habe ich statt des unhochdeutschen Elf hergestellt, welches man, des eigenen Wortes ungedenk, ohne Überlegung, dem englischen elf nachgebildet hatte; Elf klingt in unserer Sprache so, als wollten wir kalf, half anstatt Kalb, halb sagen, zu geschweigen, daß die Form Elf den Zusammenhang mit Elbe und elbisz stört.“

Wenn das so ist, sind Elfen also Elben, werden Sie jetzt vielleicht sagen. So einfach ist das nicht.

In der Epoche der Romantik wurden von den Dichtern nicht nur die Elben durch die Elfen ersetzt, sondern auch noch die Begriffe Elfe und Fee vermischt und allmählich sogar gleichgesetzt.

Aus diesem Kuddelmuddel gingen letztlich die Elfen als Sieger hervor. Das Wort wurde nach und nach zu einem einheitlichen Begriff für Naturwesen, die in der Vergangenheit regional sehr unterschiedlich benannt wurden. Mit dem eigentlichen Volk der Elben haben diese Elfen aber nichts mehr gemeinsam.

Das englische Wort „fairy“ trifft heute viel eher auf Elfen zu als „elf“. Wenn man das beim Lesen von übersetzten englischsprachigen Büchern berücksichtigt, zeigt sich manches in einem anderen Licht.

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