Gnome

Zitat der Gnome

Nach einer aufregenden Reise erreiche ich die Anderswelt. Auf Eseln durchqueren meine Begleiter und ich eine lebensfeindliche Landschaft, bis wir eine Wiese mit wunderschönen Blumen erreichen, die in hellen Farben blühen. „Hier beginnt unser Reich“, höre ich eine Stimme, „das Reich der Gnome.“

Aus einem Wald kommen Gnome auf uns zu. Sie sehen aus wie Kartoffeln eine große Kartoffel als Körper und eine kleine als Kopf.

Sie kugeln sich vor Lachen: „Uns mit Kartoffeln zu vergleichen …“

Sie lachen immer noch, sie nehmen es mir nicht übel. Die Kartoffeln sind angezogen, die Kleidung sieht aus wie aus dem Trödelladen. Alles ist bunt durcheinander gewürfelt. Zu uralten Jacken und Hosen, die einst zu Uniformen gehörten, tragen manche Schuhe, andere haben Mützen auf. Sie haben große, kugelrunde Augen und Knollennasen. Die Kulleraugen strahlen Liebe und Freundlichkeit aus.

Die Esel halten und wir steigen ab. „Wir begrüßen euch im Land der Gnome und freuen uns, dass euch der Weg hierher geführt hat.“

Ein ordentlich gekleidetes Paar steht vor mir. Die Frau trägt einen langen dunklen Rock und darüber eine hellere Halbschürze, ihr Mund ist rot angemalt. Sie nehmen dafür Früchte. Die Kulleraugen sehen freundlich aus. Sie hat grünliche Haare, die mit einem Diadem geschmückt sind. Sie ist die Königin der Gnome.

Der König hat eine mit Orden geschmückte Schärpe umgelegt, wie man sie oft bei Monarchen sieht. Er trägt eine Uniform aus grüner Jacke mit goldenen Knöpfen und grünen Knickerbockers, dazu rote Stiefel. Unter seiner Krone schauen bräunliche Haare hervor. Er wirkt nett und sympathisch. Ein schönes Paar!

„Folgt uns, liebe Gäste.“ Da kommt noch jemand. Ein großer, schwarz gekleideter Elb mit einem Spazierstock schreitet auf uns zu. „Ich habe es geschafft, durchzukommen. Es ist nicht leicht, wenn euch ein Elb begleiten soll. Wir haben immer enorme Schwierigkeiten und du weißt, dass einer bereits verschollen ist.“ Er schlägt die Kapuze des schwarzen Umhangs zurück, darunter sehe ich einen relativ jungen Mann mit goldblonden Haaren.

Ein bunter Zug setzt sich Richtung Wald in Bewegung. König und Königin gehen voran, dann kommen der Elb, die Gnome und zum Schluss wir. Hinter uns trotteln die Esel. Der Wald strahlt Ruhe und gute Energien aus, Tiere huschen vorbei, Bienen summen, ein berauschender Duft hängt in der Luft. Ich könnte stundenlang verweilen, obwohl der Wald recht dunkel ist, aber die Schatten machen keine Angst, es sind wohlwollende Schatten. Im Reich der Gnome gibt es nichts Böses, auch nicht in der Natur.

Wir erreichen eine Lichtung mit einer blumenübersäten Wiese im Mittelpunkt. Rund herum stehen Häuser, die aussehen wie Pilze mit winzigen Türen. Dort wohnen die Gnome. Der größte Pilz, ein Fliegenpilz, ist das Haus des Königspaares. Weiße Pferde und eine goldene Kutsche stehen davor. Es ist ein bisschen wie im Märchen.

Gnome bringen Bänke, die so gerundet sind, dass sie im Kreis um die Wiese aufgestellt werden können. In die Mitte tragen sie zwei thronähnliche Stühle, daneben stellen sie einen kleineren Stuhl, der bequem aussieht. Das Königspaar nimmt auf den Thronen Platz und der Elb auf dem Stuhl daneben. Wir setzen uns gegenüber, die restlichen Bänke werden vom Volk besetzt. Es sind so viele Gnome, dass einige stehen müssen, aber das ist für sie normal. Sie wechseln sich ab. Bei jeder Konferenz oder jedem Treffen sitzen mal die einen und dann die anderen. Es gibt keinen Streit. Es ist alles organisiert.

„Was weißt du über Gnome?“, fragt mich der König.

„Ich weiß nur, dass es sie gibt, mehr nicht.“ Er nickt wohlwollend.

„Gnome, Wichtel, Zwerge werden oft in einen Topf geworfen, aber das ist nicht richtig. Zwerge, Wichtel und Gnome sind eigene Völker. Wir möchten dir das verdeutlichen und haben dich deshalb auf deinem Weg in die andere Welt abgefangen. Wenn du dein Kommen früh ankündigst, weiß sofort die gesamte Anderswelt Bescheid. Es warten noch mehr auf dich, aber heute sind wir dran.“

„Ich habe mitbekommen, dass du Probleme hattest, zu uns zu kommen. Das Böse ist auch unser Problem. Du hast gesehen, dass unser Reich von einer lebensfeindlichen Zone umgeben ist. Wir geben keinen Meter unseres Bodens her, ohne darum zu kämpfen, trotzdem wird die Zone immer breiter und der Kreis um uns enger. Wir brauchen die Menschen, um unser Reich zu retten. Wir brauchen die guten Menschen, die mit guten Gedanken das Böse vertreiben.“

„Es ist nicht schwer, dem Bösen Einhalt zu gebieten. Man braucht ein reines Herz und gute Gedanken. Aber ich glaube, da erzähle ich euch nichts Neues.“

„Es gibt kein Naturreich, das nicht gegen das Böse zu kämpfen hat. Wir alle wissen, dass wir die Menschen brauchen, um unsere Reiche zu retten. Aber die Menschen brauchen auch uns, um die Menschheit zu retten. Wenn wir nicht mehr sind, geht die Natur zugrunde, die Menschen müssen verhungern. Nur – das ist ihnen nicht bewusst. Sie glauben, was die Wissenschaft sagt, und die weiß nicht, dass die Natur auf uns angewiesen ist. Wir Gnome leben im Boden. Du hast uns mit Kartoffeln verglichen, auch sie leben im Boden.“

„Wir sind mit den Zwergen verwandt, obwohl wir nicht so aussehen. Die Zwerge sind ein besonderes Volk, die Könige der Erdbewohner. Wir Gnome sind außergewöhnlich fleißig, obwohl auch andere fleißig sind, das möchte ich nicht anzweifeln. Wir sorgen emsig dafür, dass die Erde, die ihr bebaut, Energie hat und darauf etwas wachsen kann. Wir durchfurchen den Boden, um ihn zu lockern, damit sich die Regenwürmer und anderen Tiere entwickeln können, die der Boden braucht, um fruchtbar zu sein. Wo wir uns nicht um das Erdreich kümmern, kann nichts gedeihen. Mutter Erde sagt, wo wir arbeiten sollen. Sie sagt, wo Wüste oder Gebirge sind und wo gutes Land ist, dort braucht sie uns.“

„Wir arbeiten im Boden, damit alles wächst und gedeiht. In einem verdichteten Boden kann nichts wachsen, nicht einmal Gras. Ihr sagt immer, die Regenwürmer lockern den Boden auf, aber es gibt nicht genug Regenwürmer, um die Arbeit zu schaffen. Sie unterstützen uns, sind hilfreiche Geister. Ohne uns würde es die Blumenwiese hier nicht geben, weil der Boden verdichtet wäre. Das Wasser könnte nicht versickern.“

„Wir Gnome sind immens wichtig, trotzdem werft ihr uns mit den Zwergen und Wichteln in einen Topf. Es ist gut, dass ihr einmal hört, dass es anders ist.“

„Was wir nicht mögen, sind die scharfen Pflüge. Wenn wir nicht aufpassen, verletzen sie uns. Die Bauern glauben, mit Pflügen könnten sie die Erde auflockern, damit wieder etwas wächst. Oberflächlich ja, aber sie kommen nicht in die Tiefe. In die Tiefe kommt aber dieser Mist, den sie auf die Felder streuen, der Kunstdünger und die Chemie gegen Wildkräuter und angebliche Schädlinge. Beides schadet uns und der Erde. Wir versuchen, das Zeug unterirdisch abzuleiten. Mutter Erde hat dafür Kavernen bereitgestellt, aber wenn sie voll sind, reichert sich die Erde mit dem Mist an. Sie wird immer giftiger. Schaut euch Südamerika oder Asien an, wo ständig dieses Zeug gespritzt wird. Wir haben keine Möglichkeiten mehr, es abzuleiten. Bald wird die Erde dort vergiftet sein und nichts mehr wachsen.“

„Ihr schadet euch, wenn ihr nur wissenschaftshörig und geldgierig seid. Schaut euch die Menschen an, die rund um die vergifteten Felder wohnen, sie können kaum noch Kinder bekommen, und falls doch ein Kind geboren wird, ist es häufig missgebildet – und nur wegen des Profits. Alle verschließen die Augen davor. Was seid ihr nur für eine Gesellschaft!“

„Wir Gnome sind bemüht, keinem von uns zu schaden. Alle freuen sich und gönnen es ihm, wenn einer zum Beispiel etwas Schönes in der Erde findet. Keiner sagt: ‚Das möchte ich auch, ich muss das unbedingt haben‘. Wenn ein Gnom etwas Schönes findet, ist es eine Belohnung für seine Mühen und Arbeit und alle akzeptieren und schätzen das. Jeder weiß, dass er auch ein Geschenk bekommt, wenn er außergewöhnlich gute Arbeit leistet. Mutter Erde ist großzügig. Wir arbeiten gern mit ihr zusammen, obwohl sie manchmal streng ist und hart gegenüber den Menschen. Aber sie hat Recht, ihnen müssen Grenzen gesetzt werden.“

„Darf ich euch etwas anbieten? Wie wäre es mit einem Kartoffelschnaps?“ Ich lache. Kartoffelschnaps von Wesen, die wie Kartoffeln aussehen …

„Ja bitte, ich möchte ihn gern probieren.“

Zwei Gnome, die mit weißer Jacke, schwarzer Hose und schwarzer Weste wie Servierkräfte gekleidet sind, bringen ein winziges Fläschchen und kleine Gläser. Sie füllen die Gläser für uns, das Königspaar und den Elb. Der Schnaps riecht gut. „Zum Wohl, auf euren Besuch.“

„Zum Wohl, auf das Königspaar und sein Volk.“ So einen Kartoffelschnaps habe ich noch nie getrunken. Der ist köstlich.

„Wir brennen den Schnaps nicht wie ihr. Das Geheimnis sind die Kräuter, die wir hineintun.“

„Hast du noch Fragen zu den Gnomen?“

„Im Moment nicht, ich war überrascht, ich konnte mich nicht darauf vorbereiten.“

„Das ist in Ordnung. Ich denke, wir haben euch das Wichtigste gesagt. Du weißt jetzt, dass wir die Erde von unten beleben, damit sie Früchte, Gräser, Bäume und alles Leben tragen kann.“

„Wir freuen uns, wenn ihr uns hin und wieder mit Gaben dankt. Grabt ein Loch in die Erde und gebt etwas hinein. Wir holen es uns. Es ist leicht, uns eine Freude zu machen, als Dank wird es bei euch im Garten üppiger grünen und blühen, weil wir uns noch mehr Mühe geben. Wenn ihr den Elfen, die eure Pflanzen mit Energien versorgen, auch eine Gabe gebt, werdet ihr staunen, wie es in einem Garten aussehen kann.“

„Welche Gaben mögt ihr?“

„Kein Fleisch, kein Blut. Es kann Wein oder Bier sein, es können Vollkornkekse sein – wir bevorzugen eure naturbelassene Nahrung. Es ist uns auch willkommen, wenn ihr uns von eurem Essen abgebt.“

„Muss das Loch hinterher geschlossen werden?“

„Ja bitte, damit die Sonne die Gaben nicht so schnell verdirbt. Es gibt Völker, die heben Löcher aus, in die sie regelmäßig etwas von ihrem Essen hineintun, um sich bei Mutter Erde zu bedanken. Das ist ein schönes Ritual. Wenn ihr ab und zu ein Loch grabt und uns etwas schenkt, freuen wir uns darüber. Sagt dabei laut, dass die Gaben für uns sind, dann wird sich kein anderes Volk daran vergehen.“

Die Gnome rundherum haben sich erhoben und tragen die Bänke weg. Auch das Königspaar und der Elb erheben sich. „Hast du noch Fragen an mich?“, fragt der Elb.

„Tausende, aber ich glaube, dies ist jetzt nicht der Ort, um die Fragen zu stellen.“

Er lächelt. „Nein, aber wir werden uns wiedersehen, schon bald, und dann kannst du deine Fragen stellen.“

Wir bedanken uns für die freundliche Aufnahme, für das Gespräch und den leckeren Schnaps.

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